Leica M10 im Test - PC Magazin

2022-08-21 08:38:25 By : Ms. Fiona hu

Die neue Leica M10 kombiniert das asketische Ausstattungs-, Design- und Bedienkonzept ihrer Ahnen mit einem neuen 24-Megapixel-Vollformatsensor, Live-View und WLAN. Rechtfertigt das einen Preis von 6500 Euro?

ColorFoto Testurteil: 52,5 Punkte (0,5 Punkte über Durchschnitt)

Eine Messsucherkamera ohne AF und Videofunktion für 6500 Euro – die einen nennen das rebellisch und mutig. Sie schätzen das Altbewährte und Puristische, weil es weniger vom Wesentlichen ablenkt, vom Motiv. Die anderen halten das Gleiche für nicht mehr zeitgemäß, den Zwang zum manuellen Scharfstellen als Hindernis. Kaum eine Kamera polarisiert so wie die Leica M10. 

Das amtierende Topmodell des M-Systems bringt gegenüber der Vorgängergeneration (M Typ 240) vor allem einen eigens für sie entwickelten 24-Megapixel-Vollformatsensor ohne Tiefpassfilter mit. Er soll schräg einfallendes Licht noch besser erfassen und störende Lichtbrechungen vermeiden. Außerdem bietet die M10 als erste M ein WLAN-Modul für den Datentransfer und die Fernsteuerung per Smartphone; die dazu notwendige App „Leica M“ war aber bei Redaktionsschluss nur für iOS ab Version 8.0 erhältlich. Im Vergleich zur 1000 Euro günstigeren Leica M Typ 262 punktet die M10 (Typ 3656) auch mit einer Live-View-Funktion inklusive Fokus-Peaking und Lupenansicht.​

Das massive, 650 g schwere, spritzwassergeschützte Magnesium-Druckgussgehäuse wirkt sehr stabil und solide verarbeitet. Wie gehabt, liegt die M10 jedoch trotz Daumenstütze und strukturierter Kunstlederoberfläche weniger stabil in der Hand als eine typische SLR-Kamera. Gut, dass eine Halteschlaufe zum Lieferumfang gehört.

Im Vergleich zur Vorgä ngerin wird die M10 ein wenig schlanker. Außerdem ändern sich Bedienoberfläche und Kleinigkeiten am Design. Beispielsweise fehlt der M10 das prominente „M“ an der Front. Speicherkartenfach (SDHC/XC) und Akku verstecken sich weiterhin unter der komplett abnehmbaren Messingbodenplatte. Das mag zwar der Robustheit zugute kommen, macht den Kartenwechsel aber unnötig zeitaufwendig, vor allem wenn die Kamera auf einem Stativ befestigt ist.

Schade auch, dass der Akku wegen der schmaleren Gehäusekonstruktion kleiner ausfällt als in der M Typ 240:  Laut Leica soll seine Laufzeit im Normalbetrieb für circa 500, im Live-View-Modus gemäß Cipa-Standard sogar nur für 210 Aufnahmen reichen. Immerhin packt Leica als Bonus zusätzlich zum Ladegerät ein Autoladekabel bei.

Einen integrierten Blitz gibt es nicht, dafür einen Blitzschuh mit Zusatzkontakten. Dank derer lassen sich hier nicht nur Leica-Systemblitzgeräte anschließen, sondern auch ein optionaler elektronischer Visoflex-Aufstecksucher mit 800 000 RGB-Pixeln.​

Das klassische M-Messsuchersystem schließt einen Autofokus aus. Stattdessen stellt man mit dem bewährten Mischbild-Entfernungsmesser manuell scharf. Vor diesem Hintergrund freut es umso mehr, dass der Messsucher von 0,68x (M Typ 240) auf 0,73x Vergrößerung (M10) wächst. Zudem bietet er nun ein um 30 % erweitertes Sichtfeld und einen für Brillenträger verbesserten Augenabstand. 

Ein Leuchtrahmen kennzeichnet den Bildausschnitt abhängig von der Brennweite. Dass der Sucher seitlich versetzt und nicht direkt auf der opti​schen Achse liegt, stellt dabei kein Problem dar: Die M10 gleicht die dadurch entstehenden horizontalen und vertikalen Verschiebungen aus und bringt so Leuchtrahmen und tatsächlich erfassten Ausschnitt stets zur Deckung. Allerdings entspricht die Größe des Leuchtrahmens ausschließlich bei 2 m Einstellentfernung genau der des Sensors. Auf kürzere Distanz erfasst der Sensor weniger, als der Leuchtrahmen zeigt, bei größerer Entfernung mehr. Außerdem fängt der optische Messsucher erst ab einem Bildwinkel von 28 mm an. 

Wenn das Scharfstellen mit dem Messsucher deshalb bei Weitwinkel-, Nah- oder Teleaufnahmen schwierig oder zum Ratespiel wird, kann der Fotograf an der M10 einfach per Tastendruck zur Live-View-Vorschau inkl. Lupe und Fokus-Peaking wechseln. Im Wiedergabemodus dient der fest verbaute 3-Zoll-Monitor stattdessen zur Bildkontrolle, im Sucherbetrieb entweder zur Anzeige des Menüs oder einer Übersicht mit Infos wie Akkuladestand, Blende und Belichtungszeit.​

Dank des „auf das Wesentliche“ beschränkten Funktionsumfangs bleibt die Bedienoberfläche der M10 generell erfreulich überschaubar und lässt sich auch ohne Handbuch schnell erfassen. Wie gehabt befindet sich neben dem Auslöser das spür- und hörbar rastende Verschlusszeitenrad. Zur Wahl stehen Wer-te von 1/4000 bis 8 s, ein Bulb-Modus „B“ für Langzeitbelichtungen und eine (Zeit-)Automatik „A“. Die Blende wird am dafür vorgesehenen Objektivring festgelegt. Bei uns funktionierte allerdings deren Übermittlung zum Gehäuse nicht. Dadurch erschien die Blendeneinstellung weder am Infobildschirm noch in den Exif-Daten – vermutlich handelt es sich dabei um einen vorläufigen Fehler unseres Testmodells, das noch mit einer nicht finalen Beta-Firmware ausgestattet war. 

Obwohl sich schon die älteren M-Modelle auf relativ wenige Bedienelemente beschränken, hat Leica weiter abgespeckt: Links des Monitors gibt es statt sechs nur noch drei Funktionstasten, je eine für Live-View, Wiedergabe und Menü. Damit entfallen Tasten für den Weißabgleich, ISO und zum Löschen. Als Ersatz wird in der Fotogalerie die Menü- zur Löschtaste umfunktioniert, und an der Oberseite kommt ein neues ISO-Rad hinzu. Wenn man es nach oben zieht, lassen sich Empfindlichkeiten zwischen ISO 100 und 6400 direkt einstellen, alternativ dazu eine ISO-Automatik oder „M“. Letzteres steht für den im Menü vordefinierten Wert, der bis zu ISO 50 000 betragen kann. 

Der Drehschalter um den Auslöser dient an der M10 ausschließlich zum Ein- und Ausschalten, nicht mehr zum Wechsel zwischen Einzelbild, Serienmodus und Selbstauslöser. Vor allem aber verzichtet Leica auf Set-Taste und Set-Schnellmenü. Stattdessen öffnet sich das Menü mit einer Favoriten-Ansicht, die sich jeder selbst zusammenstellen kann. Ob dieses Favoriten-Menü auf eine Seite passt oder gescrollt werden muss, hängt von der Anzahl der ausgewählten Favoriten ab. Das „Hauptmenü“ gehört aber standardmäßig dazu und steht stets an letzter Stelle.​

Im Normalbetrieb setzt die M10 eine stark mittenbetonte Belichtungsmessung ein, für die sie das von den grau-weiß beschichteten Verschlusslamellen reflek​tierte Licht auswertet. Sie legt damit los, sobald der Fotograf den Auslöser halb durchdrückt, und speichert die Werte, bis er auslöst oder loslässt. Dadurch kann er bei gehaltenem Auslöser den Bildausschnitt nach der Messung noch korrigieren. Im Live-View-Modus wechselt sie zur Belichtungsmessung am Sensor, die neben der mittenbetonten auch eine Mehrfeld- (24 Felder) und eine Spotmethode erlaubt. 

Regler für den Rauschfilter und die Gradationskurve fehlen. Außerdem besteht keine Möglichkeit, den Weißabgleich auf mehreren Farbachsen manuell zu justieren. Neben typischen WB-Presets wie „Wolken“ oder „Kunstlicht“ gibt es lediglich eine Kelvin-Einstellung, eine individuelle WB-Messung („Graukarte“) und die obligatorische WB-Automatik. Letztere arbeitet schon in älteren M-Modellen bisweilen etwas unzuverlässig, und dabei scheint es zu bleiben. Vor allem bei Kunstlicht kam es im Test zu einem kräftigen Farbstich. Für solche Fälle empfiehlt sich daher der Einsatz des RAW-Formats. Erfreulich und bemerkenswert: Die M10 liefert universelle DNG-Dateien, die auch ältere RAW-Konverter wie Lightroom 4 öffnen können.​

Weil die Autofokuszeiten entfallen, büßt die M10 wichtige Punkte in der Kategorie Performance ein. Bei Einschaltverzögerung und Seriengeschwindigkeit schneidet sie zwar im marktübergreifenden Vergleich eher mäßig ab, aber deutlich besser als ältere M-Modelle: Beispielsweise braucht die M Typ 262 noch 2,8 s, bis sie startklar ist, die M10 nur 1,9 s. Das Serientempo steigt von 3,3 B/s (Typ 262) auf 4,8 B/s (M10). Außerdem hält die M10 die Serienaufnahme dank des von der Leica SL geerbten Maestro-II-Prozessors und des 2 GB großen Arbeitsspeichers länger durch, schafft nun 27 RAW- bzw. 100 JPEG-Aufnahmen in Folge.​

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